Am Sonntag beendete Joachim Standfest, neun Jahre auf der rechten Außenbahen beim GAK im unermüdlichen Einsatz, seine aktive Fußballerkarriere. Im exklusiven Interview sprach er mit uns über seine Zeit im roten Dress und ein baldiges Wiedersehen in Weinzödl.
Joachim Standfest ist ein physisches Phänomen. 18 Jahre lang rackerte der gebürtige Eisenerzer unermüdlich auf den Außenbahnen verschiedener Bundesligisten – unterbrochen nur durch eine Zweitligasaison beim Kapfenberger SV. Geprägt wurde die Karriere der stillen Laufmaschine mit einer konstanten Einsatzmotivation von 110 Prozent bei unseren „Roten“. 216 Bundesliga-Spiele bestritt er zwischen 1998 und 2007, schoss dabei 13 Tore und feierte einen Meistertitel sowie drei ÖFB-Cup-Siege. Nach insgesamt 508 Bundesligaspielen ließ der Steirer seine Karriere nun beim Wolfsberger AC ausklingen. Rechtzeitig zum 37. Geburtstag (Happy Birthday!) baten wir den Wahl-Grazer zum ausführlichen Gespräch, um in roten Erinnerungen zu schwelgen und einen Blick in die Zukunft zu wagen.
Joachim, du wurdest am 14. April 1999 für den GAK gegen Austria Salzburg das erste Mal im Profifußball eingewechselt. Du warst 18, Facebook war ein Gedankenkonstrukt, Red Bull noch weit weg vom Fußball und das Millennium stand vor der Tür. Woran kannst du dich an diesem Tag noch erinnern?
Wir waren 3:0 oder 4:0 hinten und ich kam links im Mittelfeld rein. Wir haben das Spiel ganz klar verloren, aber es war ein Riesenerlebnis. Ich war schwer nervös, obwohl das Spiel schon bei meiner Einwechslung verloren war. (lacht) Die Nervosität war aber schnell weg und ich kam gut in die Partie rein – vielleicht war es aber auch nur eine Schutzfunktion. Ein Anschlusstreffer war für uns drin, mehr leider nicht.
Legendär war kurz darauf das UEFA-Cup-Qualispiel gegen KI Klaksvik von den Färöer-Inseln, in dem dir drei Treffer gelungen sind. War damals noch eine Stürmerkarriere geplant?
Nein. Das Spiel war gleich im Sommer nach dem Debüt, daran erinnere ich mich gut. Ich spielte wieder links im Mittelfeld, weil Boban Dmitrovic und Martin Amerhauser gleichzeitig verletzt waren. Ich wechselte von rechts auf links und die Tore passierten eher zufällig. (lacht) Von einem weiteren Spiel mit drei Toren war ich meiner folgenden Karriere relativ weit entfernt. (lacht)
Was sind für dich die eklatantesten Unterschiede zwischen 1999 und 2017, da du schon so viele Veränderungen im Fußball erlebt hast?
Der Profifußball ist näher zusammengerückt. Damals war es fast noch eine Ausnahme, wenn du den Laktattest durchgelaufen bist, das ist heute viel besser geworden. Die Mannschaften können die Taktiken auch besser umsetzen und mit Klaus Augenthaler haben wir schon vor 18 Jahren die Viererkette beim GAK gespielt. Im Laufe der Jahre haben das alle Teams so gehandhabt.
Warst du seit dem Neubeginn des GAK 1902 schon einmal bei uns zuschauen?
Zeitlich ist das für mich immer sehr schlecht, weil ihr immer samstags spielt –genau wie wir in der tipico-Bundesliga. In der Gebietsliga war ich zweimal dabei und was dort passiert, auch stimmungsmäßig, ist ein Wahnsinn. Heinz Karner hat mich jedes Jahr zur Meisterfeier eingeladen, aber ich war da jedes Mal im Urlaub, wenn sie stattfand. Vielleicht geht es sich heuer einmal aus. (lacht)
Welchen Stellenwert hat der GAK für dich, wenn du auf deine Karriere zurückblickst?
Einen sehr großen. Ohne den GAK wäre meine ganze Karriere nicht möglich gewesen. Werner Gregoritsch holte mich mit 18 von der Landesliga und wir waren damals eine junge Truppe, die über die Jahre zusammenwuchs und immer wieder punktuell verstärkt wurde. Diese Truppe hatte mit dem Double 2004 den Höhepunkt erreicht. Das war eine unglaublich schöne Zeit, weil wir keine zusammenkaufte Mannschaft waren, sondern viele Spieler über viele Jahre hinweg zusammenspielten und daraus sehr dichte Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen blieben. Das ist sonst nur im Amateurfußball üblich.
Hast du noch immer Kontakt zu deinen Ex-Kollegen?
Vor allem mit jenen, die auch in Graz leben. Beispielsweise mit Gernot Sick, einem meiner besten Freunde, aber auch mit Martin Amerhauser, René Aufhauser oder Andreas Schranz. Mit ihm wuchs ich zusammen auf.
Hattest du das Gefühl, dass die GAK-Fans es dir übel nahmen, als du deinen Vertrag beim Stadtrivalen Sturm unterschrieben hast?
Gehört habe ich nichts – zumindest nicht viel. (lacht) Der GAK war damals nicht mehr vorhanden. Es war der dritte Konkurs, der in die Regionalliga führte und ich bin Profi und verdiene mein Geld mit Fußball. Jeder respektierte, dass ich wegen meiner Familie von der Austria weggehen wollte. Ich kann natürlich verstehen, dass Wechsel zwischen Erzrivalen nicht gerne gesehen werden. Man darf aber nicht vergessen, dass wir die erste Generation des Bosman-Urteils waren und lernten, dass Fußballspielen ein Beruf ist. Früher waren Spieler ihr ganzes Leben lang bei einem Verein, aber diese Art von Vereinstreue war bei uns nicht mehr vorhanden.
Hattest du im Moment deiner Unterschrift bei Sturm daran gedacht, dass du eine lange und erfolgreiche GAK-Karriere im Rückspiegel hast?
Ich hatte schon etwas Schiss, dass mir etwas übelgenommen wird, aber im Endeffekt habe ich die Entscheidung für mich und meine Familie getroffen. Ich habe mich bei Sturm ganz ehrlich auch wohl gefühlt. Auch wenn das keiner gerne hört, aber das Mannschaftsgefüge und die Geschlossenheit waren ähnlich wie beim GAK davor. Bei der Austria war Fußball wirklich Arbeit und die Mannschaftszusammengehörigkeit war ganz anders als beim GAK – das änderte sich erst, als die Jungen wie Zlatko Junuzovic kamen. Der SK Sturm war eine Truppe, die schon jahrelang zusammenspielte und sich punktuell verstärkte. Einer davon war ich.
Schlägt in dir ein rotes Herz, oder bist du demgegenüber neutral eingestellt?
Ich bin dahingehend sehr neutral. Für mich ist wichtig, dass der GAK wieder raufkommt, damit es endlich wieder ein Derby gibt. Es geht beiden Fanlagern viel ab, wenn es den anderen nicht gibt, das ist Fakt. Derbys waren die schönsten Spiele, die ich selbst jemals auf nationaler Ebene miterlebte. Ich habe auch Wiener Derbys erlebt, aber in Graz war alles noch freundschaftlicher und familiärer. Da streiten mal ein paar Freunde, aber es schlägt sich deshalb keiner die Schädel ein. Ich wünsche mir einfach, dass der GAK so schnell wie möglich wieder ganz oben ist.
Es ist jetzt fast exakt zehn Jahre her, seit es das letzte Derby gab. Glaubst du, dass es tatsächlich wieder eines geben wird?
Ich glaube und hoffe, dass das passieren wird. Der GAK hat immer noch sehr viele Möglichkeiten und durch die Bundesligareform wird es bald nicht mehr so viele Vereine geben, die die Möglichkeit haben werden, ganz nach oben zu kommen – der GAK ist absolut einer davon. Das Umfeld und die Strukturen mit dem Trainingszentrum sind gegeben. Der GAK ist nach wie vor ein großer Verein, der ganz rauf gehört. Ganz Österreich und die Bundesliga würden sich alle zehn Finger abschlecken, wenn der GAK wieder oben wäre.
Was ist deine schönste und prägnanteste Derbyerinnerung im GAK-Dress?
Gute Frage. Ich habe relativ wenige Derbys verloren, was schon mal großartig ist. Bei meinem allerersten Derby wurde ich eingewechselt und da gab es eine 0:5-Klatsche, aber ab dem Jahr 2000 habe ich meist Glück gehabt. Es war auf jeden Fall jeder Sieg gleich schön. (lacht)
Wie imposant findest du die Unterstützung seitens der Fans des GAK, die seit dem Neubeginn in der allerletzten Liga lautstark und kräftig für Stimmung sorgen?
Das ist ein absoluter Wahnsinn. Der GAK hat mehr Fans als die meisten Sky Go-Erste Liga-Vereine. Der Klub muss schauen, dass das Wirtschaftliche gut funktioniert, denn aufgrund der Vergangenheit wird dem Verein mit Sicherheit immer genauer auf die Finger geschaut als allen anderen. Ich bin aber überzeugt, dass das klappen wird.
Der GAK hat derzeit in der Oberliga Mitte einen Zulauf von beständig 1.500 bis 1.800 Fans – in guten Bundesligajahren waren oft nur 3.500 in Liebenau zu Gast. Wie erklärst du dir diesen Unterschied?
Das ist schwer zu erklären, aber damals gab es in der Steiermark eine gewisse Art von Fußballsättigung. Sturm hatte einige Jahre davor alles gewonnen und dann war der GAK erfolgreich. Irgendwann teilte sich alles auf und der neutrale Besucher ging eher zu Sturm. Als die Konkurse beim GAK begannen, waren viele Menschen verärgert und es ging gar keiner mehr ins Stadion. Es lag oft auch an der Laune der Menschen. In unserem Meisterjahr aber ging schon gewaltig die Post ab.
Eine Stadt wie Graz verträgt deiner Meinung nach nachhaltig zwei Bundesligavereine?
Auf jeden Fall. Das hat über Jahre immer gut funktioniert, warum nicht auch in Zukunft? Das Einzugsgebiet rund um Graz wird auch immer größer, ich sehe da langfristig nichts, was dagegen sprechen würde.
Kann der GAK langfristig neue Fans lukrieren, auch wenn es vielleicht nicht so schnell nach oben geht? Kleinen Kids ist natürlich schwer zu erklären, warum sie sich für den „kleineren“ Klub der Stadt entscheiden sollten…
Auch das liegt an der Laune der Menschen. Wenn es ständig bergauf geht und man nachhaltig hart und ehrlich arbeitet, sich den Fans gegenüber offen zeigt, dann werden die Menschen kommen. Dann lukriert man auch neue oder jüngere Fans, aber natürlich ist Fußball ein Tagesgeschäft und erfolgsabhängig. Damit muss auch der GAK leben.
Hast du den GAK nach deinem Weggang 2007 immer konstant verfolgt? Auch anfangs in Regionalligazeiten?
Durchaus. Anfangs war Gregor Pötscher Trainer, Kollmann und Amerhauser spielten damals noch fix im Team. Für mich war die Hartberg-Causa genauso tragisch wie für viele andere. Ich saß beim Entscheidungsspiel daheim vorm PC am Liveticker und hätte am liebsten in den Computer geschlagen. (lacht) Ich habe nie aufgehört, dem GAK zu folgen.
Kannst du dich mit dem wiedergeborenen GAK identifizieren?
Für mich ist der GAK der GAK. Allein schon wegen den vielen Fans und dem ganzen Drumherum. Gernot Plassnegger, Heinz Lienhart und Heinz Karner kenne ich persönlich, aber ich muss natürlich ehrlich sagen, dass mir der richtige Bezug fehlt. Das ist aber auch normal, denn meine aktive Karriere hier ist doch schon einige Jahre her.
Wirst du uns in Zukunft öfter besuchen?
Wenn ich jetzt dann mehr Zeit habe, werde ich sicher die eine oder andere Partie verfolgen.