Eine Liebeserklärung eines Roten an den „kleinen Nachbarn“
von Michael Rath
Heuer feiern zwei Vereine ihr 100jähriges Bestandsjubiläum, die einen mehr oder weniger engen Bezug zum GAK haben: Der FK Austria/ASV Puch und der ESK. Dem geringfügig älteren der beiden widmet sich daher der erste Beitrag, der auch ein Blick ins – für unseren Verein noch nicht lange zurückliegende – Grazer Unterhaus ist
Der Lend ist ein nicht nur fußballerisch „roter“ Bezirk von Graz. Der erste SK Rapid Graz war vor dem 1. Weltkrieg ebenso hier verwurzelt (der Rapidplatz lag etwa am Gelände des großen AVL-Parkplatzes beim Jugendzentrum Explosiv) wie später der Arbeiter Athletiksport Club oder Hertha Graz (beide auf der sogenannten Marienwiese, etwas südlich des heutigen Schulgeländes der HBLA Schrödingerstraße). Das fußballerische Aushängeschild waren und sind aber die „Eisenbahner“.
Seit 1932 haben sie ihre Heimstätte in der Überfuhrgasse nahe der Kalvarienbrücke. Die Anlage, auf der einst Spiele mit 5.000 Zusehern ausgetragen wurden, besitzt zwar keine Betontribüne mehr, zählt aber zu den schönsten Plätzen von Graz. Neben den Fußballern des FK Austria/ASV Puch, die aktuell in der 1. Klasse Mitte A vertreten sind, befinden sich auch die Tennisplätze und die Stocksportanlage der anderen Sektionen (ergänzt sei auch noch das Vereinsaushängeschild und vielfache Meister, die Sektion Schach) auf dem Gelände. Da die Austria hier Dauerpächter ist, hat sie neben dem Wiki-Kindergarten auch etliche Hobbyvereine als Untermieter. Aber auch der GAK ist einer dieser Platzmieter: Durch die optimale Lage des Platzes trainieren hier unsere Specials 1902.
Es gibt aber noch weitere GAK-Bezüge – doch dazu später.
Gegründet wurde der Eisenbahnerverein als SC Heizhaus am 15.4.1921 (behördlich angemeldet 27.4.), durch den großen Spielerandrang von Bediensteten verschiedener Bereiche der Bahn firmierte der Verein bald als „SC Südbahn“. Ein Durchmarsch führte den Klub rasch in die höchste Steirische Liga. Dort verblieb er allerdings nur ein Jahr (1925), denn durch die Spaltung des Fußballverbandes im Sommer 1926 in einen bürgerlichen Verband und den Arbeiterverband (VAFÖ) schlossen sich die Arbeitervereine (u.a. Südbahn, ESK, ASV Gösting) letzterem an. Südbahn zählte hier klarerweise zu den Spitzenteams und stellte regelmäßig zahlreiche Spieler der steirischen Arbeiterauswahl, die gegen die Genossen aus England (1927) oder die Sowjetunion (1928) spielte. Auch mehrere Tourneen und Bundesländerspiele fanden im Rahmen des neuen Verbandes statt. Als Südbahn schließlich 1930 überlegen Steirischer Meister (VAFÖ) wurde, siegte der sportliche Ehrgeiz über das Klassenbewusstsein und gemeinsam mit dem ESK und dem Arbeitersportklub Andritz verließ der Verein den Arbeiterfußballverband im Sommer 1931. Südbahn wurde direkt in die höchste Liga des allgemeinen Verbandes eingereiht und nach holprigem Beginn gelang es den Eisenbahnern rasch, sich in der Liga zu etablieren. Der Weg ganz an die Spitze (GAK, Sturm, Grazer Sportklub) gelang zunächst jedoch noch nicht. Ausgerechnet im Krieg begann aber die große Zeit des Vereins. 1944 wurde „Reichsbahn Graz“ erstmals Meister, bei Abbruch der Meisterschaft 1945 hatte der Klub alle 7 Partien (von 14 geplanten) gewonnen. Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit war Südbahn Vizemeister (1946, GAK: 4.), Dritter (1947, GAK: 5.), Sechster (1948, punktegleich GAK: 5.) und Vierter (1949, GAK: 3.) der neugegründeten Steirischen Landesliga. Die Eisenbahner spielten zeitweise wunderschönen Fußball und benannten den Verein nach dem damaligen Inbegriff für technisch anspruchsvollen Fußball in ESV (Eisenbahnersportverein) „Austria“ um. Gleich in der ersten (ganzen) Saison unter neuem Namen wurden sie diesem auch mehr als gerecht. Gelang es in der Herbstmeisterschaft noch Kapfenberg, einen Sieg zu erringen und dem GAK, einen Punkt zu holen, setzen die Violetten im Frühjahr zu einem Siegeslauf sondergleichen an: lediglich dem ESK gelang ein Pünktchen, alle andere Spiele wurden von Austria überlegen gewonnen. Als Steirischer Meister musste der Klub nun Aufstiegsspiele gegen Wr. Neustadt und Siegendorf bestreiten. Unglückliche Schiedsrichterentscheidungen machten aber trotz Rekordkulissen den Traum vom Aufstieg in die höchste Spielklasse vorerst zunichte. Stattdessen wurden die Eisenbahner – gemeinsam mit Vizemeister Kapfenberg und dem Dritten, GAK – in die neugegründete „Staatsliga B“ eingereiht, der sie bis zu deren Ende angehörten.
Starker Auftritt auf Bundesebene
Als Fünfter (1950/51) verpasste die Austria den Aufstieg (1.-4.) knapp, in den Folgejahren (2 Aufsteiger) wurde der Verein 4. (1951/52 und 1952/53) und Fünfter (1953/54). Schließlich gelang aber der eventuell nicht mehr als „ganz jung“ zu bezeichnenden Mannschaft, woran sie in den Jahren zuvor knapp gescheitert war. In der Saison 1954/55 marschierte Absteiger Sturm geradewegs auf den direkten Wiederaufstieg zu. Ein Sieg gegen die Eisenbahner hätte diesen in der vorletzten Runde perfekt gemacht. Erstmals berechtigte nämlich nur der Meistertitel zum direkten Aufstieg in die Staatsliga A. Alles war am Sportklubplatz, wo eine Doppelveranstaltung Sportklub – Eisenerz mit Austria – Sturm stattfand, für eine Meisterfeier in schwarz-weiß angerichtet. Vor 6.000 Zuschauern sorgten Rumpf (2), Müller und Urantsch aber für ein Debakel des Tabellenführers. Sowohl Sturm, als auch die Austria siegten aber in der letzten Runde und dank der knapp besseren Tordifferenz (Sturm +32, Austria +29) holperte das Lüfterl aus Jakomini doch noch zum Titel. Neuerlich hieß es für die Violetten „Relegation“, diesmal gegen Dornbirn. Es sollte nach einem 2:2 (h) und einem 3:3 (a) eines Entscheidungsspieles auf neutralem Boden (Linz) bedürfen, dort aber fuhr die Eisenbahn über die Dornbirner mit 4:0 drüber.
Endlich erstklassig
Die (einzige) Saison in der höchsten Spielklasse wurde gleich mit einem Grazer Derby am GAK-Platz eröffnet: Alles begann dank Willy Sgerm (7. Minute) programmgemäß, weil sich aber GAK-Tormann Arnold an der Hand verletzte mussten die Roten bald mit 10 Mann spielen und die Sensation gelang: Urantsch und Rumpf bescherten den Eisenbahnern den Sieg. In Runde zwei wartete auswärts – allerdings am GSC-Platz – der SK Sturm. Abermals Gustl Rumpf führte die Austria zum nächsten vollen Erfolg. Nach zwei Runden hielt der Außenseiter beim Punktemaximum. Dennoch war das Team schon etwas in die Jahre gekommen, dazu kamen unglückliche Spielverläufe und schließlich folgte knapp und erst in der letzten Runde besiegelt punktegleich mit Nichtabsteiger Stadlau der Abstieg.
Erneut in der Staatsliga B angekommen gelang der 6. (1956/57), der 11. (1957/58) und schließlich der abgeschlagene 14. und letzte Platz (1958/59), doch die Liga wurde aufgelöst und an ihre Stelle traten drei Regionalligen als zweithöchste Spielklasse. Das Eisenbahnerballett gehörte dieser noch 1959/60 (4.), 1960/61 (8.) und 1961/62 (13.) an – dann gings rasant nach unten. Der tiefe Fall wurde stets nur kurz, für höchstens eine Saison, gebremst. Schon 1967/68 war der Verein in der niedrigsten steirischen Klasse angekommen. Seither pendelt die Austria zwischen den beiden unteren Klassen. Es gelangen 5 Meistertitel, denen aber über kurz oder lang ebenso viele Abstiege folgten. Ein Mann war bei all diesen Titel unmittelbar dabei, als Spieler, Trainer oder Funktionär: „Mister Austria“ Alfred Horner, der seinem Verein im Jubiläumsjahr als Obmann vorsteht. Letztlich sind es neben Horner und seiner Frau lediglich ein paar helfende Hände, die den Traditionsverein vom Lend am Leben halten und die dafür sorgen, dass der Rasen kurz, das Bier kühl und die Kabinen sauber sind. Gerade in Zeiten des stillgelegten Spielbetriebes zählen daher die Dauerkartenverkäufe doppelt. Vielleicht klappt es ja zum 101er mit einem Meistertitel – oder zumindest mit einer vollen Saison.
Oftmals auswärts daheim
Was aber geht das den GAK an? Nun es gibt neben etlichen schon länger zurückliegenden Derbies ja auch Spiele des GAK gegen Austria II International (1. Mitte A, 2013/14) und Spiele der GAK II (GL, 2016/17) sowie diese Saison eines der GAK Juniors gegen die Austria. Ein Kuriosum stellen aber auch die Doppelveranstaltungen dar: in den 50er-Jahren war das Heimrecht nicht besonders ausgeprägt, gespielt wurde oft auf dem „besten“ Fußballplatz. Da aber vier Grazer Vereine in den beiden höchsten Ligen spielten, war es – vor allem für die beiden „kleinen“ Vereine, Austria und Sportklub, nur zweckmäßig, statt sich gegenseitig Zuschauer abspenstig zu machen, Doppelveranstaltungen mit Sturm und GAK durchzuführen. Auch in der Frühjahrssaison 1955/56 hatte die Austria mehrere Heimspiele als Doppelveranstaltung mit Nachbarn und Ligakonkurrenten GAK in der Körösistraße. Kurios ist jene, bei welcher der GAK auf eigenem Platz sozusagen das Vorspiel gegen den FC Wien für das Hauptspiel bestritt. Das lautete Austria (Graz) gegen Austria (Wien). Fast jedes Jahr fanden in Graz solche Doppelveranstaltungen mehrmals statt, je nach kompatiblen Heimrecht vor allem auf dem GAK-Platz, aber auch auf der Anlage von Sturm. Auch das Bild vom Spiel der Austria gegen KSV Ortmann stammt vom GAK-Platz. Wir sollten angesichts dieser relativ lockeren Platzwahl auch nicht vergessen, dass der GAK seine Heimpremiere in der Staatsliga B 1950/51 gegen Oberlaa vor 10.000 Zuschauern auf dem Sportklubplatz gegenüber der Grazer Messe beging (Doppelveranstaltung mit Sturm – Admira) und das „Heimderby“ gegen die Austria gar am Sturmplatz (!) ausgetragen wurde.
Internationale Bekanntheit
Als Eisenbahnersportverein (ÖES) und Mitglied der internationalen Eisenbahnersportvereine (USIC) nahm die Austria auch am sogenannten „Bundesbahncup“ teil, den der Verein 1937 und 1938 gewinnen konnte. Als die ÖBB nach dem 2. Weltkrieg begann, sich auch im Spitzensport zu engagieren wurde der Floridsdorfer Profiklub Admira Wien zu ihrem Aushängeschild. Er stellte praktisch auch die „Nationalmannschaft der Eisenbahner“ und es gelang Admira 1955 als erstem (und bis 1995 einzigem) westeuropäischen Team, gegen die „Berufsamateure“ der Sozialistischen Länder den Titel zu erringen. Regelmäßiger „Teamspieler“ war aber auch der Austrianer Fritz Gigerl und im Vorfeld dieser EM, 1954, trat die Grazer Mannschaft als Österreichische Nationalmannschaft gegen Frankreich an (und gewann 4:1) – die Austria hat somit auch ihren Anteil am „Europameistertitel der Eisenbahner“ für Österreich.
Talenteschmiede
Bis in die jüngere Vergangenheit war der Verein bekannt für seine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit. Neben Helmut Senekowitsch trugen auch die nachmaligen GAK-Spieler Heber, Engel, Ruhs und Erkinger das Trikot der „Violetten“. Für die kleine aber feine Anhängerschar der Eisenbahner, der auch etliche „Rote“ angehören, zählen freilich aktuellere Vereinslegenden wie die Urgesteine Marcel Marterer oder Angelo Brecl. Brecl hat – von einer kurzen Verirrung zum Rivalen im „Schienenderby“, den Straßenbahnern, abgesehen – seine gesamte Karriere für die „Legende vom Lend“ gespielt.
Wenn es künftig hoffentlich wieder möglich sein wird, Unterhausfußball live zu erleben, sei daher ein Besuch auf der wunderschönen Anlage in der Überfuhrgasse allen Anhängern des Stadtklubs wärmstens empfohlen…
Der Durchmarsch des GAK in die Staatsliga A: https://www.grazerak.at/aktuelles/zwischenstand-beim-durchmarsch
Derbybilanz Liga
GAK – ESV Austria 42 Spiele | 14 Siege - 12 Remis - 16 Niederlagen | 90:78
Vom Herbst 1946 bis zum Frühjahr 1951 konnte der GAK die Austria in 8 Spielen nicht bezwingen.
Derbybilanz Cup
GAK – ESV Austria 6 Spiele | 3 Siege - 3 Niederlagen | 18:14
FK Austria / ASV Puch Graz
Gegründet 15.4.1921 (behördliche Anmeldung 27.4.1921) als „Südbahn Heizhaus“
Steirischer Meister 1930 (VAFÖ), 1944, 1950
1925-1926 Fusion mit „Weiße Elf Gösting“
1926-1931 VAFÖ (Verband der Amateurfußballvereine Österreichs)
1938-1945 „Reichsbahn Graz“
1949 Namensänderung auf „ESV Austria Graz“
2004 Fusion mit ASV Puch
1 Saison (1955/56) in der höchsten österreichischen Spielklasse (Staatsliga A)
11 Saisonen (1950/51 – 1961/62) in der zweithöchsten österreichischen Spielklasse (Staatsliga B, Regionalliga Mitte)
(C) Fotos: Archiv ESV Austria Graz