GAK 1902 Aktuelles
News / Wolfgang Gruber / Montag 13.04.2020

Die rote Krawatte des Herrn Pinter

Es ist Dienstag, 21. Juli 1987. Um 18.30 Uhr steht die erste Runde der ersten österreichischen Fußballdivision am Spielplan: GAK gegen FC Tirol, David gegen Goliath.

Ein Hauch des Außergewöhnlichen liegt an diesem sommerlichen Frühabend über dem ausverkauften GAK-Platz, neuerdings Casinostadion genannt, auf dessen Tribünen sich – trotz der relativ frühen Anstosszeit – gut 9.000 Zuschauer drängen (im Spielbericht der Arbeiterzeitung steht schlicht: GAK, 9.000) und einer in zweierlei Sinn geschichtsträchtigen Begegnug beiwohnen.

Saisonaufakt & Volles Haus

Für das ausverkaufte Stadion gibt es zwei Gründe: Zum einen kommt eine der größten Trainergestalten des europäischen Fußballs, nämlich Ernst Happel, nach einer langen und erfolgreichen Auslandskarriere (1987 feierte er noch mit dem Hamburger SV den deutschen Pokaltitel), mit seiner Mannschaft nach Graz, die sich unter anderen mit zwei bundesligaerfahrenen Akteuren, nämlich Bruno Pezzey (Eintracht Frankfurt, Werder Bremen) und Hansi Müller (VfB Stuttgart, Inter Mailand) anschickt, fortan den österreichischen Fußball zu dominieren.

Zum anderen ist es Adi Pinter, der seit Mitte April die sportlichen Geschicke des damals abstiegsbedrohten GAK führt. Nachdem der Verein als Elfter die Qualifikation zum Meister-Playoff nicht erreicht, gelingt – durchaus mit unorthodoxen Mitteln und markigen Sprüchen – ein nicht geahnter Höhenflug (3. Platz im Mittleren-Playoff 1987 und nach dem Grunddurchgang 1987/88). Pinter, selbst gilt als die Personifizierung des Trainereffektes (der „Messias“), leider aber auch des Verpuffens desselben, was ein knappes dreiviertel Jahr später zu seiner Entlassung führt. Trotzdem und deshalb eine kleine Hommage an eine der schillernsten Persönlichkeiten im Trainersessel der Rotjacken.

Der Schüler und sein Lehrer

Die erste Erinnerung an dieses Spiel ist wohl die einprägsamste – obwohl der Autor dieser Zeilen diese wie die meisten anderen Zuschauer vor Ort nur erahnen konnte – nämlich die Traube von Reportern vor der Gäste-Trainerbank, die eben direkt vor denen Stehplätzen der Westtribüne (wo ich mich üblicherweise befand), die die direkt an der Mur lag, wo sich Happel und Pinter – die beiden Kontrahenten, der Schüler und sein Lehrer – die Hand geben und der GAK-Trainer dem „Grantler“ eben jene rote Krawatte übergibt, die in die Geschichte des GAK und des österreichischen Fußballs eingangen ist.

Nachdem Pinter seine fußballerische Ausbildung in der Körösistraße erfuhr, zog es ihn als „Wandervogel“ in die Welt – etwas, was er bis zu seinem Karriereende durchgezogen hat. Ebenso, daß er eben nicht nur auf den Fußball fixiert war (Politiker, Mentalchoach). Ernst Happel begegnete er 1979 beim KRC Harelbeke, einem Mittelständler in der zweiten belgischen Liga, als Co-Trainer (der Verein wurde übrigens just im Jubiläumsjahr des GAK 2002 aufgelöst). Danach war Pinter noch Volontär beim HSV. Laut eigener Aussag soll ihn Happel den „Zauberer“ genannt haben.

Exkurs

Zurück zum Spiel: der FC Tirol ist als Favorit für dieses Spiel und die Meisterschaft angetreten. Der Verein übernahm 1986 die Lizenz von Wacker Innsbruck und bestand in dieser Form bis 1992. 1987 spielt Wacker Innsbruck selbst in der 2. Klasse Mitte und stieg bis 1991 in die Tiroler Landesliga auf. Der 1913 bzw. 1915 gegründete Verein, war seit 1964 erstklassig, 1970 erstmals Cupsieger und 1971 erstmals Meister, kann in Folge (als Spielgemeinschaft mit der WSG Wattens als SSW Innsbruck) bis 1981 jeweils noch vier weitere Meisterschafts- und Cuptitel gewinnen. Mitte der 1990er-Jahre klopften die Innsbruck als Regionalligist wieder an der Tür zur zweiten Liga, mussten diese Ambitionen aber begraben und letztlich wurde 1999 der Verein aufgelöst.

Von 1993 bis 2002 existierte dann noch der FC Tirol Innsbruck und aufgrund dessen Konkurs kommt es noch im selben Jahr zur Neugründung des FC Wacker Tirol (2007 in FC Wacker Innsbruck umbenannt).

Das Match

Jetzt ein noch kurzer Blick auf die beiden Aufstellungen:

GAK:  Manfred Trost; Helmut Sauseng, Harald Gamauf, Angelo Devescovi, Zelimir Vidovic, Michael Zisser, Hans Dihanich, Roman Raczynski, Johann Pigel, Günther Koschak (87' Ralph Hasenhüttl), Dieter Schatzschneider (60'  Kurt Nessl)

FC Tirol:  Tomislav Ivkovic; Robert Wazinger, Robert Auer, Bruno Pezzey, Christian Peintinger (74' Rupert Marko), Rudolf Steinbauer (34' Thomas Lenninger), Manfred Linzmaier, Hansi Müller, Heinz Peischl, Peter Pacult, Alfred Roscher

Beim GAK waren mit Roman Raczynski (Austria Klagenfurt), Hans Dihanich (Austria Wien), dem ebenfalls bundesligaerfahrenen Dieter Schatzschneider (Hannover 96, Schalke 04, HSV) sowie Michael Zisser (später VfB Mödling, Rapid, Nationalteam, dann wieder GAK) aus dem eigenen Nachwuchs, gleich vier Neuerwerbungen auf dem Spielfeld. Schatzschneider kam übrigens auf Vermittlung vom Pinter zu den Rotjacken.

Bei den Tirolern stand auch ein ehemaliger Roter am Platz, nämlich Rudi Steinbauer (Rapid, FC Tirol, VSE St. Pölten), der dann nochmals von 1994 bis 1996 für den GAK kickte.

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Neuerwerbung Raczynski hält in der 17. Minute einfach drauf und der Ball landet genau im Kreuzeck. Die Tiroler kommen anfangs nicht ins Spiel, waren in der zweiten Hälfte spielbestimmend und mehrfach am Ausgleich dran, doch letztlich entschied ein Foulelfmeter durch Hans Pigel in der 90. Minute das Match.

Und dann?

Im Herbst 1987 steht Pinter noch als Conferencier anlässlich der Gala zum 85. Vereinsgeburtstag auf der Bühne des Kammersaals, im Frühjahr 1988 wird er wegen des ausbleibenden sportlichen Erfolgs entlassen, kommt im Herbst 1989 noch einmal für 6 Spiele zurück, der GAK steigt in der Folge aber für fünf Jahre in die 2. Division ab.

Ein besonders Bonmot ist die dritte Rückkehr des Adi Pinter zum GAK. Am 12. November 2011, die Roten sind längst in den tieferen Gefilden der Regionalliga angekommen und kämpfen ums Überleben, steigt das Spiel gegen den FC Pasching in Graz-Liebenau. Adi Pinter ist auf seiner Reise durch die Fußballwelt bei den Oberösterreichern angekommen und überlegt sich für diesen Tag eine besondere Kundgebung: Vor Matchbeginn wandert er zum Sektor 22, entblösst seinen Oberkörper, auf dem der Schriftzug „GAK“ zu lesen ist und läßt sich von den 3.600 Zuschauern in Graz-Liebenau feiern.

Nach seinen eigenen Worten, wonach der GAK vergleichbar sei „mit seiner ersten Liebe“, bezahlt Pinter dann (nachdem die Paschinger unter anderem durch einen „Doppelpack“ von Roland „Rolligoal“ Kollmann mit einem 6:0 nach Haus geschickt wurden) diese Liebe mit dem sofortigen Rauswurf bei den Oberösterreichern.

2016 stirbt Pinter an einem Herzinfarkt, Ernst Happel erliegt 1992 einem Krebsleiden. Der GAK spielt nach der Neugründung und sechs Aufstiegen en suite wieder in 2. österreichischen Liga. Wacker Innsbruck spielt seit 2003/04 abwechselnd in der 1. und 2. Liga.

Wolfgang Gruber

(C) Foto http://gepa-pictures.com/

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