Wer hätte das gedacht? Nach 15 Jahren gibt es wieder ein großes Grazer Lokalderby. Ein Blick zurück auf die bisherigen 198 Pflichtspiele und mehr ...
Das allererste Match der beiden Kampfmannschaften von GAK und Sturm datiert vom 25. September 1910 und da war von der großen Rivalität der späteren Jahrzehnte noch nicht viel zu spüren. Der GAK war der Platzhirsch, die Schwarzen noch der Underdog. Kurz davor, nämlich am 5. Mai 1910 fand überhaupt erst das erste Spiel zwischen den späteren großen Konkurrenten statt (der Sturm war ja erst im Jahr davor gegründet worden, hat sich aber bekanntlich erst 1912 offiziell als Verein konstituiert): Die zweite Mannschaft der Roten schlägt die Kampfmannschaft von Sturm mit 6:1. Am 25. September folgt dann das erste Duell der Kampfmannschaften (5:0 für die Athletiker).
Am 8. September 1913 fand in der 1. Runde des Grazer Herbstmessepokals das erste Spiel im Rahmen eines offiziellen Wettbewerbs statt. Die Rotjacken siegten klar mit 3:0 und wurden später auch zum dritten Mal Sieger dieses Turniers. Es ist also das erste Pflichtspiel der beiden Kontrahenten, weshalb in der Derbystatistik eigentlich 198 bisher absolvierte Begegnung stehen müssten. Bis einschließlich 1919 finden insgesamt weitere 38 Spiele von diversen Mannschaften von Sturm und GAK statt, die Kampfmannschaften treffen 22 Mal aufeinander. Die Rotjacken gehen dabei in 16 Fällen als Sieger vom Platz, dazu gibt es jeweils 3 Niederlagen bzw. Unentschieden. Der höchste Sieg für den GAK datiert vom 21. Juni 1914 mit 9:0.
Mit der Einführung der steirischen Fußballmeisterschaft 1920 entbrennt das „Derby-Fieber“ zwischen den beiden Vereinen und ihren Anhängern dann endgültig … nach einem 1:0-Erfolg über den GAK stand Sturm in der Premierensaison als erster steirischer Meister fest. In der folgenden Spielzeit konnte Sturm den GAK zunächst mit 3:2 besiegen. Im entscheidenden Spiel gegen den GAK im Frühjahr 1922 unterlagen die Schwarz-Weißen aber mit 0:2. Der GAK wurde Meister, Sturm Zweiter. Die Mannschaftsaufstellung der Rotjacken: Rosner; Friedrich, Holzinger; Sartory, Wallner; Reisinger, Josef Fiedler, Payer, Polster, Pirker, Hruby.
Neben den Pflichtspielen gibt es auch nach Etablierung der Meisterschaft zahlreiche Turniere und freundschaftliche Begegnungen (viel mehr als heutzutage). Nach dem zweiten Weltkrieg war es noch der Pepra-Pokal, der Pokal des Grazer Bürgermeisters, die Hallenturniere 1965 bzw. ab Mitte der 1970er in der Liebenauer Eishalle bzw. in der Stadthalle. 1921 siegen die Roten im Finale des Osterturniers 2:0, der Messepokal 1925 wandert nach einem 2:1 im Endspiel vor 2.500 Zuschauern am Jakominigürtel in die Körösistraße (beide Tore: Wesiak) und 1926 wird der Sieg im Stiefelkönig-Pokal davon getragen (3:0). 1927 findet das 50. Spiel der Kampfmannschaften statt – in diesem Jahr geht auch kein Spiel verloren (Meisterschaft 5:1, 1:0, Kaiserhofpokal 5:1, Messepokal 2:1, Wintercup 5:1). Zu der Zeit wird bei Sturm auch ernsthaft diskutiert zum Arbeitersport zu wechseln – der „Geliebte Feind“ wäre also dem GAK fast als Derbygegner „abhanden“ gekommen ...
Das Derby vom 27. Oktober 1929 geht als Schlacht in der Körösistraße in die Geschichte ein; erst in der 73. Minute gelingt dem GAK das Tor zum 1:0-Sieg. Nach Zeitungsmeldungen wird ein GAK-Akteur und zwei Sturm-Spieler ausgeschlossen, dazu müssen drei Schwarz-Weiße und ein Athletiker das Spielfeld verletzt verlassen. Bis 1933 dominiert der GAK mit 10 Titeln (davon 8 en suite) die steirische Meisterschaft und wird zudem drei Mal Amateurstaatsmeister. Danach verliert der GAK für knapp 15 Jahre die Vormachtstellung, die v. a. in den Jahren unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkriegs der alte Lokalrivale übernimmt. Schon während des Kriegs gab es zwei Saisonen kein Meisterschaftsderby, ebenso zwischen 1949 und 1951 (Sturm in der Staatsliga, der GAK steigt erst 1951 über die neu eingeführte B-Liga auf).
In der unmittelbaren Nachkriegszeit war Sturm das Maß der Dinge im steirischen Fußball. Das erste freundschaftliche Derby endete 1945 mit 0:13 aus Sicht der Athletiker. Beim Befreiungspokal war es „nur“ mehr ein 0:5 und beim ersten Pflichtspiel im Oktober 1945 immerhin ein 1:1-Unentschieden. Beide steirischem Cupfinali 1947 und 1948 gingen auch noch verloren (0:1 bzw. 2:4). In der Abrechnung stehen bis 1949 insgesamt 61 Pflichtspielderbys, davon gewinnt Sturm 35 und der GAK 19.
Doch 1949 kommt es zu einem Derby als Zeitenwende: das freundschaftliche Match gegen den Staatsliga-Klub Sturm, gewinnt die „technisch beste steirische Ligamannschaft“ (gemeint ist der GAK) mit 2:1. In der ersten Staatsliga-Saison fällt das Derby jeweils auf den Abschluss der Hin- und Rückrunde. Beide Mannschaften waren kaserniert, die Nervosität groß, 10.000 Zuschauer am Sturmplatz und der Hausherr galt als klarer Favorit. Das erste Derbytor im Oberhaus schießen aber die Athletiker: Anton Landauf zirkelte einen Freistoss in Richtung Tor des Stadtrivalen, wo Paul Halla Torhüter Kristen irritierte und der Ball schließlich im Netz zappelte. Vor der Pause fällt noch der Ausgleich und nach der Pause durch einen Elfer der Siegestreffer für die Hausherren. Beim Rückspiel am 15. Juni 1952 fanden sich 8.000 Zuschauer in der Körösistraße ein. Mit den Brüdern Stefan und Alfred Kölly als herausragenden Spielern siegte der GAK ungefährdet und glatt mit 4:1.
Ab 1952 kommt es dann in der Folge zu 13 sieglosen Derbyjahren für die Schwarz-Weißen und der GAK etabliert sich für das kommende Jahrzehnt als einer der besten Bundesländer-Vereine. Am 12. April 1953 gewinnt der GAK am Sportklub-Platz in der 18. Runde der Staatsliga A mit 2:1 – Tore: Engel (40.), Kandler (60.); Gapp (30.). Die Rotjacken mit Josef Amreich, Kurt Schink, Alfred Kölly II, Walter Strohmayer, Friedrich Kandler, Alfred Pestitschek, Paul Halla, Dominikus Engel, Kurt Eigenstiller, Anton Kaltenegger, Stefan Kölly I. Am 10. Juni 1956 kommen vor „nur“ 7.000 Zusehern am Jakominigürtel (obwohl ursprünglich sogar im Raum stand, das Spiel in Liebenau auszutragen) die Hausherren mit 1:5 unter die Räder – auch Willi Huberts trägt sich bei seinem ersten Derby in die Torschützenliste ein (weitere Treffer: 2 x Sgerm, Kandler, Aigner). Im Herbst 1956 und 1958 gewinnen die Athletiker dann mit 6:1 noch deutlicher (einmal am Jakominigürtel, einmal in der Körösistraße). Erst 1964 geht wieder ein Derby verloren.
Auch später gibt es immer wieder „Lücken“ in der Derbystatistik, so wie in der Saison 1953/54 oder zwischen 1958 und 1964 bzw. 1965/66 (Sturm war da jeweils in der Regionalliga engagiert). Der größte Schnitt – gerade aus der roten Sicht – war dann sicher der Zwangsabstieg 1974. Aber bereits eine Saison später kehrte das Grazer Derby wieder auf den Spielplan zurück.
Ein Jahr vorher wäre es aber fast umgekehrt gekommen. Durch die, in Ostösterreich stark verbreitete Maul- und Klauenseuche mussten Spiele des stark abstiegsgefährdeten SC Eisenstadt und Admira Wacker (ebenso, wie der GAK, schon fix für den UEFA-Cup qualifiziert) abgesagt werden. Die Ergebnisse der Nachtragsspiele führen dann dazu, dass Sturm in der Endabrechnung auf einem Abstiegsplatz landet. Nach einem Protest und einer knappen Entscheidung am Grünen Tisch (auch mit Unterstützung des GAK!), bleiben die Schwarz-Weißen dennoch in der Liga, die für die Saison 1973/74 extra von 16 auf 17 Vereine aufgestockt wird. Treppenwitz der Geschichte ist allerdings, dass an genau demselben Tisch der GAK am Ende der darauf folgenden Saison zwangsweise in die 2. Liga versetzt wird, weil Sturm in einer Fünfjahreswertung knapp die Nase vorne hat …
Nach dem freundschaftlichen Derby am 19. August 1961 saßen Funktionäre und Fans abends im „Gösser-Bräu“ (bei GAK-Vorstandsmitglied und Sponsor Julius Wagner) einträchtig beisamen. GAK-Klubobmann Konrad Reinthaler erinnerte dabei an die 50 Jahre währende Rivalität und die Sturm-Vertreter unterstrichen ebenso die Gemeinsamkeiten. Anfang 2020 schafft es das ewige Duell sogar auf die Theaterbühne. Im Grazer Schauspielhaus hatte „Bist du GAK oder Sturm?“ seine Premiere. Aber auch für Erheiterndes blieb genügend Zeit: wer erinnert sich nicht an diverse Derbywetten oder die fast showreifen „Auseinandersetzungen“ der Präsidenten Fischl & Kartnig in den 1990ern – da war (zumindest medial) der Blick auf die Tribüne meist wichtiger als aufs Feld.
So friedlich blieb es freilich nicht immer, v. a. wenn es zu Transfers zwischen den beiden Klubs kam. Ein Beispiel wäre da Heinz Schilcher, der vom GAK zu Sturm wechselte, bevor er seine internationale Karriere begann. Das lief nicht ganz ohne Nebengeräusche ab. Auch Max Lamoth, Roland Goriupp, Günther Koschak, Klaus Spirk, Boban Dmitrovic und Ronald Brunmayr wechselten von Rot auf Schwarz. Einige solcher Spielerwechsel liefen in der Vergangenheit auch als (bei den Betroffenen meist nicht sonderlich geliebte) Tauschgeschäfte zwischen den Vereinen ab (u. a. wechselten so Erich Sajko oder Karl Aigner die Seiten). Den anderen Weg nahmen in der Vergangenheit unter anderem: Kurt Temm, „Hacki“ Holzer, Hans Sinkovic, Fredl Murlasits, Gerfried Hodschar, Helmut Hauser oder Anton Landauf. Für beide Klubs liefen unter anderem auch Hannes Jank, der kürzlich verstorbene Hansi Klug, Walter Schachner, Damir Muzek, Didi Pegam, Gerald Strafner oder Herbert Rauter auf.
Roter Derby-Rekordspieler ist bei den Einsätzen (auf die gesamtösterreichische Meisterschaft bezogen) übrigens Ales Ceh mit 39 Spielen (Mario Zuenelli und Didi Ramusch kommen jeweils auf 33 Einsätze). Anton Pichler hat für Sturm ein Spiel mehr absolviert. Bei den Torschützen liegt unser Stadtrivale klar vorne (Vastic, Bakota, Jurtin), beim GAK ist Klublegende Walter Koleznik mit 8 Toren an der Spitze, gefolgt von Igor Pamic, Mario Zuenelli und Willy Sgerm mit jeweils sieben Treffern.
1969 drängeln sich 20.000 Zuschauer ins alte Liebenauer Oval, das Spiel endet 1:1. Sowieso gibt es in der Zeit viele ausgeglichene Spiele mit diesem oder ähnlichem Ergebnis. 1975 fällt das 100. Derbytor (durch Mario Zuenelli – dafür gibt es als Preis einen Sportwagen) und am 8. Dezember 1978 findet das 150. Spiel von Rot und Schwarz statt. Das Ergebnis? 1:1! Bis 1990 gibt es dann die Spiele auf höchster Ebene, ehe sich der GAK für fünf Spielzeiten in die Zweitklassigkeit verabschiedet. Lediglich in den Saisonen 1991/92 und 1992/93 sind es Begegnungen im Mittleren Playoff. Im Frühjahr 1993 gewinnt der GAK da auch beide Partien (2:0, 4:0), wird am Ende aber als Viertplatzierter nicht aufsteigen und die Schwarz-Weißen zu wiederholten Male die Klasse halten. Da waren seit 1951 82 Derbys gespielt und der GAK führte in der Statistik mit Sieg mehr vor Sturm (28 vs. 27), weitere 27 Partien endeten Remis.
Nach dem Wiederaufsteig 1995 folgt in der Saison 1996/97 das erste (und einzige) Derby außerhalb von Graz, nämlich im Alpenstadion Kapfenberg (Endstand 2:2) – neben den eigenen Plätzen und den beiden Stadien in Liebenau, gab es noch zwei Derbys am nicht mehr existierenden Sportklub-Platz. Das Eröffnungsspiel des neuen Liebenauer Stadions 1997 wird der roten Gemeinde noch schmerzlich in Erinnerung sein. Das Debütspiel von Neo-Trainer Klaus Augenthaler geht mit 0:4 sang- und klanglos verloren. Während vor der Jahrtausendwende die „Blackies“ die Derbys dominieren (es gibt einige deutliche Niederlagen), wendet sich das Blatt im neuen Jahrtausend, auch wenn es immer wieder das 1:1 als Standard-Unentschieden gibt (dieses Ergebnis gibt es nach 1951 in mehr als 20 Partien, davor ganze zwei (!) Mal).
Am 17. Mai 2007 wurde das bisher letzte „große“ Derby der beiden Kampfmannschaften ausgetragen. Zu dem Zeitpunkt war schon klar, dass der GAK aus der Bundesliga absteigen muss. Alles war auf Negativ getrimmt, auf ein Debakel eingestellt – am Ende siegte Sturm durch ein Tor von Haas knapp mit 1:0. Der GAK spielte dabei in folgender Aufstellung: Schranz; Perchtold, Sonnleitner, Hassler, Kujabi; Glauninger (46., Berchtold), Spirk, Junuzovic (67., Lechner), Amerhauser; Schenk (76., Mohiden), Kollmann.
Bis dahin gab es 130 Pflichtspiele in österreichweiten Meisterschaften, davon 46 GAK- und 42 Sturm-Siege (und ebensoviele Remis). Danach folgten in den Regionalliga-Saisonen von 2007 bis 2012 bzw. 2018/19 jeweils „kleine“ Derbys, also gegen die Zweitvertretung der Blackies. In der aktuellen Zweitliga-Saison 2022/23 treffen beide Mannschaften wieder aufeinander, das Hinspiel endete bekanntlich mit einem Unentschieden – 1:1 ... Nach den bisherigen 13 Spielen sieht hier die Statistik so aus: 5 GAK-Siege, 4 von Sturm II und 4 Unentschieden.
Nach 15 Jahren Pause kommt es wieder zu einem großen Grazer Lokalderby. Die Voraussetzungen beider Vereine bei der 199. Pflichtspielauflage könnten aber nicht unterschiedlicher sein. Unser Stadtrivale konnte sich nach den wirtschaftlichen und sportlichen Schwierigkeiten an der Spitze des nationalen Fußballs etablieren und spielt regelmäßig international, während der Stadtklub am (weiten) Weg zurück ins Oberhaus ist.
Auch die Derby-Cupstatistik (5 Spiele) schlägt insgesamt in Richtung Messendorf aus. 1959 kommt es zur ersten Begegnung in diesem Wettbewerb, Sturm unterliegt dem GAK dabei in Liebenau knapp mit 0:1. Im wichtigsten Spiel, dem Cupfinale 2002, behält der GAK aber mit 3:2 die Oberhand. Auch das Supercup-Finale in diesem Jahr ging klar mit 3:0 an die Athletiker.
Hier noch ein interessanter Podcast zum Derby mit unter anderem unserem Stadionsprecher Mathias Pascottini als Gast.
Fotos: © GEPA, Fischer/Archiv W. Pennitz/Wiener-Pucher/Sammlung GAK 1902
Titelfoto: Roland Kollmann beim bisher letzten „großen“ Derby am 17. Mai 2007 © GEPA
Anrissfoto: Jubelnde GAK-Spieler nach einem Treffer gegen den „Geliebten Feind“, darunter Klublegende und roter Derby-Rekordtorschütze Walter Koleznik © Fischer/Archiv W. Pennitz/Wiener-Pucher/Sammlung GAK 1902