Als Inter Mailand wankte: Ex-"Teufelspost"-Macher Christian Thomaser erinnert sich an eines unserer legendärsten Gastspiele im Europacup.
Es ist fad, sehr fad ohne Fußball! Ohne Fußball bleibt in der Woche plötzlich Zeit für völlig andere Dinge, wie z.B. einen Frühjahrsputz. Hat zwar nichts mit Fußball zu tun, kann man aber auch auf zwei Halbzeiten aufteilen – oder jubeln, wenn man etwas ganz Besonderes findet. Ich hatte heute plötzlich eine GAK-Zeitung aus dem Jahr 1996 in Händen und schwelgte in Erinnerungen.
1996 arbeitete ich bei der Kleinen Zeitung und der GAK schloss seine Comeback-Saison in der Bundesliga nach zähen Jahren der Zweitklassigkeit mit Platz vier und der Qualifikation für den UEFA-Cup ab. Nach 14 Jahren durften unsere Roten endlich wieder international dabei sein, mussten sich aber durch die Qualifikation in den Hauptbewerb spielen. Im Heimspiel gegen den FK Vojvodina siegten die Rotjacken 2:0 (Tore: Vukovic und Muzek) und schufen sich eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel. Es kam aber noch besser, der GAK schlug die Serben auswärts mit 5:1 (Tore: Sabitzer 2, Ramusch, Wieger, Anicic).
In Runde 1 war der KFC Germinal Beerschot Antwerpen der Gegner und die Belgier schienen nach einem 3:1-Herimerfolg (Tor: Strafner) wie der sichere Aufsteiger. Doch in Kapfenberg folgten Sabitzer-Festspiele, der GAK jubelte über einen 2:0-Erfolg und den Aufstieg in Runde 2.
Präsident Harald Fischl flog zur Auslosung und jubelte über ein Traumlos: Mit Inter Mailand zogen die Athletiker einen ganz Großen des europäischen Fußballs. „Ich habe mich noch nie so geschämt“, erzählte mir Fischl nach der Auslosung. Der Grund dafür waren etliche Hochglanzmagazine und andere Dinge, welche die Italiener ihrem Gegner überreicht haben. Der GAK hatte auch etwas vorbereitet – einen roten Schnellhefter mit einigen A4-Blättern über den Verein …
Am 15. Oktober stand das Hinspiel im Giuseppe-Meazza-Stadion, im Volksmund auch San Siro genannt, auf dem Programm. Schon vor Anpfiff stand fest, dass viele der fast 80.000 Plätze frei bleiben werden – es ging ja nur gegen einen kleinen Verein aus Graz. Und es wären fast noch mehr Sitze frei geblieben, weil ausgerechnet an diesem 15. Oktober 1996 das Bodenpersonal in Italien gestreikt hat. Doch die (in der Zwischenzeit) Ex-Frau von Fischl schaffte das fast Unmögliche: Die beiden Charterflugzeuge aus Graz waren die einzigen, die an diesem Tag in Mailand landen durften. Um Geld zu sparen, war Gerhard Tlapak (damals Cafetier in Fürstenfeld) Flugbegleiter in der AUA-Maschine, ich durfte diesen Part im Flieger der Lauda Air übernehmen. Mit an Bord war ein Kopierwerk mit vier Seiten, das die Fans auf dieses Match einstimmen sollte. Von einem Hochglanzprodukt à la Inter war man noch weit entfernt, aber immerhin …
Es regnete in Strömen, als wir in Mailand gelandet sind, und der riesige Flughafen war eine einzige Geisterstadt. Auf dem Weg zum Stadion kam die nächste Hiobsbotschaft: Franz Almer war erkrankt, der junge Alexander Manninger musste ins Tor. Das Bauchweh der Fans war umsonst, der junge Salzburger brachte die Inter-Stars mit seinen Paraden und Reflexen zur Verzweiflung. Er musste nur ein einziges Mal hinter sich greifen, Angloma traf in der 80. Minute zum 1:0. Als wir gegen Mitternacht zum Flughafen kamen, hatte das Bodenpersonal den Streik beendet und das Gelände war wieder wie eine pulsierende Stadt. Wie die vielen Lichter strahlten auch die GAK-Fans um die Wette – gegen das große Inter Mailand haben wir nur 0:1 verloren!
29. Oktober 1996, 11.000 Fans kamen ins ausverkaufte Kapfenberger Stadion und hofften auf ein Fußballwunder. Meine Mutter und ich teilten an den Eingängen eine eigens für dieses Spiel aufgelegte Zeitung aus. Mit 16 Seiten schon deutlich stärker – und mein ganzer Stolz! Als großer GAK-Fan von klein auf durfte ich diese Zeitung in Eigenregie schreiben und gestalten, obwohl ich noch nie zuvor ein Layout gemacht hatte. Das Stadion kochte, als Herfried Sabitzer (35.) zum 1:0 traf. Weil es auch nach 90 Minuten so stand, ging es in die Verlängerung – der Rest ist bekannt, der GAK verlor das Elfmeterschießen mit 3:5. Dieses hatte meine Mutter übrigens nicht gesehen, sie hielt die Nervenanspannung nicht aus und ging in den Kabinentrakt …
Heute habe ich diese Zeitung wieder in die Hände bekommen und alle Erinnerungen kamen hoch, als wären diese beiden Spiele gegen Inter Mailand erst gestern gewesen. Was ich damals noch nicht wissen konnte? Dass es 1997 mit dem Wechsel ins Arnold Schwarzenegger-Stadion ein Vereinsmagazin geben sollte, das ich insgesamt elf Jahre lang schreiben durfte. Die „GAK Teufelspost“ war eine echte Herzensangelegenheit - wie auch das Buch „100 Jahre GAK“, das ich als leitender Redakteur schreiben durfte.
Ich hoffe, dass ich den GAK-Fans mit diesen Zeilen ein wenig Fußball in dieser schwierigen Zeit geben konnte! Zugleich möchte ich dem GAK-Media-Team gratulieren, Ihr macht einen fantastischen Job! Ich wünsche Euch und allen GAK-Fans, dass ihr schon bald wieder über Spiele des Grazer AK in der höchsten Liga berichten könnt!
Viel Spaß mit der Zeitung aus dem Jahr 1996 wünscht Euch
Christian Thomaser
Bleibt gesund!
Foto: GEPA Pictures