Das erste Derby

Seit 17. Mai 2007 steht die große Derbyuhr in der Landeshauptstadt still. Bis dahin gab es 197 Aufeinandertreffen der Kampfmannschaften bei Pflichtspielen, zuletzt gab es bekanntlich „nur“ Derbys mit der Zweitvertretung unseres Stadtrivalen. Das allererste Match der beiden Kampfmannschaften erfolgte am 25. September 1910 und da war von der großen Rivalität der späteren Jahrzehnte noch nicht viel zu spüren.

Kurz davor, nämlich am 5. Mai 1910 fand überhaupt erst das erste Spiel zwischen den späteren großen Konkurrenten statt (Sturm war ja erst im Jahr davor gegründet worden, hat sich aber erst 1912 als Verein konstituiert): Die zweite Mannschaft der Roten schlägt die Kampfmannschaft von Sturm mit 6:1, was für Lokalpresse seinerzeit nur eine Radnotiz war. 

Eine Rivalität, die zunächst keine war

Diese ersten Spiele wurden zunächst als „Spiele unter vielen Spielen“ wahrgenommen – in jener Zeit war ja faktisch jedes Match ein Derby und in diesen Jahren verschwanden Vereine oft genauso schnell wieder, wie sie auftauchten. Als führender Allroundsportverein hat sich der GAK seit seiner Gründung im Jahr 1902 eine entsprechende Position in Graz erarbeitet (personell, organisatorisch, sportlich und natürlich auch politisch) und die auch über die Stadt hinaus strahlte. Dies hebt nicht umsonst die damals deutsch-nationale Presse (v.a. das Grazer Tagblatt) besonders hervor.

Wenige Jahre und einen Weltkrieg später ist diese Partie aber bereits ein Klassiker (oder jedenfalls auf dem besten Weg dahin). Als mit der, 1906 vom GAK abgespaltenen Grazer Sporvereinigung (GSV) – die aber nichts mit der 1935 gegründeten GSV, später als GSV/Wacker bekannt, zu tun hat –  der bis dahin sportliche Rivale abhanden kommt und sich auch die Rahmenbedigungen im Sportbetrieb ändern (Einführung eines Meisterschaftsbetriebs), kann sich diese schwarz-rote Dichotomie erst so richtig entwickeln.

Bis 1913/14 war nämlich der, in Turnierform ausgetragene, Grazer Herbstmessepokal das wichtigste sportliche Ereignis im steirischen Fußball, den von den Grazer Vereinen vor allem der GAK mit 3 Titeln und die GSV (Finalsieg 1910 gegen den GAK) dominieren.

Durch den Krieg um vier Jahre verzögert, gelingt es Sturm – quasi als Gegenentwurf – nach und nach all das zu sein, was der GAK nicht sein will oder ist, auch wenn der Verein genauso aus einem bürgerlichen Bezirk kommt und nichts mit einem Arbeiterverein zu tun hat (obwohl das heute gerne anders dargestellt wird). Aus dieser Heterogenität entsteht letztlich jene Rivalität, die Fußballfans in Graz seit jener Zeit elektrisiert.

Herbstauftakt

Für Sonntag, den 25. September 1910 steht nach der Sommerpause der Auftakt zu den Herbstspielen des GAK auf dem Sportplatz in der Körösistraße auf dem Programm. Um 14.30 Uhr trifft die zweite Mannschaft der Athletiker auf den neu gegründeten Deutschen Athletik-Sportklub (DAC) aus Cilli/Celje (ein gutes Jahr später auch einer der Gründungsmitglieder des späteren Steirischen Fußballverbandes und Finalgegner beim zweiten Messepokal-Sieg des GAK), danach folgt das erste Aufeinandertreffen der Kampfmannschaften von GAK und Sturm.

Im Vorfeld wird im Grazer Tagblatt dafür die folgende Aufstellung des GAK bekanntgegeben:

Marius (Tor); Egger, Schmiederer; Brodner, Fritz Gaischeg, Ircher; Reinecke, Albert Gaischeg, Rudi Stanger, Plänkler, Schwarz

Mit Franz Egger, Fritz Schmiederer, Robert Brodner und Rudolf Stanger stehen immerhin noch vier  Gründungsmitglieder sowie mit Franz Ircher der damals wohl beste steirische Spieler im GAK-Aufgebot. Ircher wird 1913 sogar zum Probetraining beim österreichischen Nationalteam eingeladen, aber nicht nominiert. Später ist er als Vereinsfunktionär (nachdem er seine sportliche Karriere wegen einer Kriegsverletzung nicht mehr fortsetzen kann) für die großen Erfolge der roten Fußballer in den 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre federführend verantwortlich.

Das Spiel

Das Grazer Tagblatt berichtet in seiner Ausgabe von 26. September 1910 (aus deutsch-nationalen Aspekten) ausführlich über das erste Antreten der Mannschaft aus Cilli/Celje, das die zweite Garnitur der Rotjacken 1:2 verliert.

Zum Spiel gegen Sturm wird da nur relativ kurz erwähnt, dass – trotz der 2:0-Pausenführung des GAK  – die Gäste in der 1. Halbzeit gut mithalten können, dann aber doch noch drei Tore nach der Pause folgen, bis das Spiel in der 75. Minuten wegen Dunkelheit abgebrochen werden musste. Kurios war das letzte Tor, da der Goalie der gegnerischen Mannschaft nicht auf seinem Posten war, „da dieser ausgetreten und für ihn nicht sofort Ersatz zur Stelle war.“

Am selben Tag schreibt das Grazer Volksblatt wesentlich ausführlicher über das historische Aufeinandertreffen und lobt den neuen Gegner, der „gegen die erste [Mannschaft] der Athletiker in allen Ehren bestand.“ Die GAK-Mannschaft scheint den aufstrebenden Gegner aber nicht unterschätzt zu haben, im Laufe ersten Halbzeit entfalten die Rotjacken dann ihre Spielstärke. Albert Gaischeg und Rudolf Stanger erzielen die Tore vor der Pause. Nach einem – allerdings vergebenen – Elfer für die Gäste, legt der GAK in der 2. Halbzeit noch drei Tore nach (über die Schützen wird allerdings nichts berichtet).

Und danach?

Genau zwei Wochen später verliert, die schon erwähnt, der GAK in einem „anderen“ Derby gegen die GSV im Endspiel des Grazer Herbstmessepokals mit 1:2, revanchiert sich aber Ende Oktober mit einem 9:1 für die Finalniederlage, eine Woche davor schlägt Sturm die GSV mit 4:0. Am 8. September 1913 fand in der 1. Runde des Grazer Herbstmessepokal das erste offizielle Spiel im Rahmen eines Wettbewerbs statt. Die Rotjacken siegten klar mit 3:0 und wurde später auch zum dritten Mal Sieger dieses Turniers.

Bis einschließlich 1919 finden insgesamt 38 Spiele von diversen Mannschaften von Sturm und GAK statt, die Kampfmannschaften treffen 22 Mal aufeinander. Die Rotjacken gehen dabei in 16 Fällen als Sieger vom Platz, dazu gibt es jeweils 3 Niederlagen bzw. Unentschieden. Der höchste Sieg für den GAK datiert vom 21. Juni 1914 mit 9:0. Das erste Pflichtspiel erfolgt dann 1920 im Rahmen der ersten steirischen Fußballmeisterschaft. Und damit entbrennt das „Derby-Fieber“ zwischen den beiden Vereinen und ihren Anhängern dann endgültig …

Michael Rath
Wolfgang Gruber

Foto: GEPA Pictures