GAK 1902 Aktuelles
News / Dieter Demmelmair / Dienstag 31.07.2018

Wiedersehen mit der Stiefmutter aller Stadien

Das Match gegen die Sturm Amateure bringt nicht nur das erste Wiedersehen mit dem Stadtrivalen seit dem Neustart, es bringt auch die (vorerst kurzzeitige) Rückkehr in ein Stadion, mit dem jede/r von uns Geschichten verbindet. Auch unser Autor.

Tja, Liebenau, jetzt sehen wir uns also wieder. Früher als wir beide dachten. Und ganz ehrlich - es gab da schon eine Zeit vor ein paar Jahren, als wir beide dachten, wir würden uns nie mehr wiedersehen.

Du bist für mich die Stiefmutter aller Stadien. Stiefmütter sucht man sich nicht aus - die bekommt man vorgesetzt, ob man will oder nicht. Manchmal wird echte Liebe daraus, manchmal aber auch nicht. Wir beide können zumindest sagen, dass uns eine langjährige Bekanntschaft verbindet. Ob sie auch eine Freundschaft ist? Ich weiß es nicht - auf jeden Fall hatte sie viele Tiefs, aber auch sehr viele Hochs.

Das erste Mal haben wir uns am 29. August 1981 getroffen. W., ein glühender GAK-Fan, hat mich damals zum Derby mitgeschleppt. Es war der Beginn einer sehr großen Liebe - zum GAK. Bei den Roten war es Liebe auf den ersten Blick, der zweite Liebesblick galt aber schon dir. Du warst so riesig. Und so viele Menschen hatten in dir Platz - das kannte ich als Provinzkind alles nicht. Bunt gemischt standen die 18.000 Leute da, der Schmäh rannte zwischen den Fans. Keine Absperrungen trennten sie, die Polizei war mehr mit der Verkehrsregelung als mit den Fans beschäftigt. Wir haben dich dennoch vor dem Abpfiff verlassen, gleich nachdem Bozo Bakota mit seinem dritten Tor den 4:1-Endstand erzielte ...

Für mich ging es wieder zurück in die Provinz, für dich ging es erstmal bergab. Du wurdest fast überflüssig, Sturm und GAK spielten in eigenen Stadien. Die Einsamkeit hat dich schnell altern lassen. Du warst auf einmal nutzlos. Und dann trafen wir uns wieder - aber nicht bei dir. Und nicht persönlich. Ein sehr aufgeregter Jungjournalist war ich, als ich zu meiner allerersten Pressekonferenz ging. Ins Rathaus, ins Büro des damaligen Sportstadtrates Werner Stoiser. Um dich zu sehen - als Modell. Du solltest neugebaut werden - und Heimstätte beider Grazer Vereine werden.

Ich gebe es zu: In der Zeit, als wir uns nicht sahen, war ich dir mit dem "Casino-Stadion" nur allzu gerne untreu. Dann aber hast Du mich wieder total in den Bann gezogen. Ich kann mich noch gut an das Gefühl erinnern, als ich eine Stunde vor dem Anpfiff des Eröffnungsspieles meinen Sektor betrat. Ich habe gleich K. angerufen und ihr vorgeschwärmt, wie schön du wärst. Ihr Kopfschütteln habe ich durchs Telefon gesehen ...

Dieses Eröffnungsspiel! Mein GAK spielte sehr, sehr gut - aber Sturm noch viel besser. Da hat sie begonnen, diese Zeit, in der viel Licht, aber leider noch mehr Schatten war. Weißt Du noch, Ende Juni 2000? Derby - du warst ausverkauft, der Martin Amerhauser hat uns in der 11. Minute mit 1:0 in Führung gebracht. Oben auf der Pressetribüne, wo das Jubeln nicht gerne gesehgen wurde, stand ich ein paar Meter von A. entfernt. Auch er ein Roter. Wir haben uns still angelächelt - die letzte positive Regung an diesem Tag. Sechs "Trümmer" von den Schwarzen - ein Desaster. 

Aber wir Roten sind Kämpfer, das weißt Du nur zu gut. Auch wir haben den Schwarzen eingeschenkt. 5:0 im März 2003, 4:0 im Februar 2005 - alles in der Zeit, als man auch beim Studium der Tabellen die Antwort auf die Frage bekam, wer die Nummer 1 in Graz ist. Und auch wenn Günther Neukirchner es vielleicht so wollte: Die Frage war nicht deppert.

Was haben wir gefeiert in dieser Zeit! Am meisten am 15. Mai 2004. Welche Emotionen! Mehr als ein schlichtes "Meister!" habe ich nicht gestammelt, als ich gleich nach dem Schlusspfiff M. angerufen habe. Hinten, aus den Boxen, lief "Queen" mit "We Are The Champions", vorne, aus meinen Augen, Tränen. Freudentränen. Der H., ein ganz lieber Kollege, Freund und Sturm-Fan, hat Jahre später noch davon erzählt. Und vor allem hat er mir das alles vergönnt. 

Ich habe den Steven Gerrard auf Deinem Rasen gesehen. Und den Roland Kollmann. Ich habe den Gareth Southgate darauf gesehen. Und den Roland Kollmann. Ich habe den Fabien Barthez dort gesehen. Und den Roland Kollmann. Ich habe viele großartige Spieler auf Deinem Grün gesehen. Aber Du weißt ja, wer damals mein Lieblingsspieler war.

Und dann war alles plötzlich anders. Du weißt jetzt auch, wie man ein "Trauerspiel" am besten beschreibt - das letzte Profi-Derby im Frühjahr 2007 war genau das. Aber jedes Ende ist auch ein Anfang. Mit C. habe ich damals oft darüber geredet. Als bei C. dieser verfluchte Krebs festgestellt wurde, hat er mir noch gesagt, dass er nur noch einen Wunsch habe: "Ich will unsere Roten wieder in der Bundesliga sehen!" Gesehen hat C. dich und die Roten nur noch ein einziges Mal. Du kannst dich vielleicht noch an dieses irre 8:1 gegen Bad Aussee am 16. Mai 2009 erinnern. Wenige Wochen später war C. noch einmal bei Dir zu Gast - auf der Anzeigetafel war sein Bild zu sehen, während der Trauerminute. Das war das zweite Mal, dass Du mich mit Tränen gesehen hast.

Aber viel öfter hast Du mich aufgeregt, euphorisch, jubelnd, lachend gesehen - und stolz. Kannst Du Dir vorstellen, was es für ein Gefühl war, als ich alter Hund erstmals ein Match inmitten unserer Kurve miterlebte? Irgendwann in einer unserer letzten Regionalligasaisonen war das - und es war großartig! Als ich F. das erste Mal zu Dir mitnehmen konnte, als er große Augen machte und diese fast schon mehr auf die Fans als aufs Spielfeld richtete, konnte ich nicht wissen, dass er einmal mitten unter diesen so großartigen, so lauten, so engagierten Fans stehen wird. Und einer von ihnen sein wird.

Und jetzt also werde ich mit ihm und tausenden Anderen wieder einmal bei Dir vorbeischauen. Ich werde an W. denken, der mich Dir vorgestellt hat. An C., den ich immer vermissen werde. Und an H., der den Stadtrivalen heiß liebt, und dennoch Respekt für meine Liebe hat. Wie ich für seine.

Ein bisschen fremd wirst Du mir sein. Und Du wirst merken, dass ich meine Zuneigung längst Deiner kleinen Schwester in Weinzödl geschenkt habe. Dort wird sie auch bleiben. Für immer. Aber nichts hindert uns beide daran, einen Neuanfang zu starten. Auch weil wir das ohnehin müssen. Denn, das ist klar: Wir werden uns in Zukunft öfters sehen. Du wirst wieder erleben, wie Geschichten in Dir geschrieben werden. Schöne und weniger schöne Geschichten, lustige und traurige, spannende und langweilige - eben Bestseller und Flops. 

Unsere Mannschaft wird alles geben, um die Sturm Amateure zu schlagen. Dafür braucht sie jeden Fan. Kommt alle am Freitag in die "Merkur-Arena", feuert unsere Roten lautstark und friedlich an. Lasst uns alle gemeinsam wieder an einer Geschichte schreiben, an die wir uns noch lange und mit Freude erinnern können. Wer auch immer der Gegner ist, was auch immer das Spiel sein soll, und selbst bei einer Niederlage: Es ist der GAK, der spielt. Es ist unser Herz, dass da auf dem Rasen schlägt. Denn:

WE ARE GAK. Egal wo.      

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