News / Dieter Demmelmair / Donnerstag 18.01.2018

Die rote Praline war die beste Wahl

GAK-Kapitän Gerald Säumel verrät im großen Interview, warum Fußball Kopfsache ist, was ihm Respekt und Anerkennung bedeuten, und welche Kreise sich für ihn beim GAK 1902 geschlossen haben. In der Nachspielzeit: Was Mitspieler über „El Capitano“ sagen.

Das Leben sei wie eine Schachtel Pralinen. Man wisse, nie was man bekäme, erläutert Forrest Gump im gleichnamigen Film. Was er nicht sagt: Geschmäcker sind verschieden.  Der eine mag es bitter, der andere süß. Denn das Leben ist viel, aber eines ist es sicher nicht: schwarz-weiß (sic!).

Rückblende I: Am 5. Dezember 2004 trifft der SK Sturm auf Wacker Tirol. Der 18-jährige Gerald Säumel  stand davor bereits dreimal ohne Einsatz im Kader unseres Stadtrivalen. Bruder Jürgen, damals 20, war bereits Stammspieler der „Schwarzen“. In der 77. Minute ist es so weit: Mario Kienzl verlässt den Platz, Gerald Säumel   betritt ihn. „Ich war extrem aufgeregt, der Günther Neukirchner hat mich danach aufgezogen und gesagt, dass ich kreidebleich im Gesicht gewesen wäre. Ich hab‘ natürlich auf die Kälte als Grund verwiesen“, schmunzelt Säumel. Dieser 5. Dezember vor etwas mehr als 13 Jahren hätte der Startpunkt einer großen Karriere werden können. 

Experten bescheinigten dem jüngeren der Säumel-Buben damals mindesten ebenso viel Talent wie seinem Bruder. Aber: Während Jürgen 2005 sein Debüt im ÖFB-Teamdress gab, später u. a. in der Serie A für den FC Turin, in der Serie B (Turin und Brescia),  der 2. Deutschen Bundesliga (MSV Duisburg) und bei der Heim-EURO 2008 bei allen drei Matches zum Einsatz kam, ging es für Gerald, was die Ligahöhe anbelangt, bergab.

Rückblende II: Während Jürgen am 21. September 2008 im „Stadio Grande Torino“ vor knapp 22.000 Zuschauern auf das von José Mourinho betreute Inter Mailand trifft, spielt Gerald am Tag davor vor 600 Zusehern in der Ersten Liga gegen die Admira. Während die Gegenspieler von Jürgen Zlatan Ibrahimovic oder Mario Balotelli hießen, waren es bei Gerald „nur“ Almedin Hota oder Günter Friesenbichler.  

Säumel blickt knapp 17 Jahre zurück: „Ich war 15 Jahre alt, als ich von Neumarkt im Bezirk Murau nach Graz kam. Es war natürlich sehr hilfreich, dass der Jürgen schon da war, eine Klasse über mir die Schule besucht hat. Wir waren da zwar räumlich von unseren Eltern getrennt, die waren aber immer für uns da, haben kein Spiel ausgelassen. Und als das Heim in den Sommerferien zu war, haben sie uns täglich von Neumarkt nach Graz und zurück gebracht. Wir müssen ihnen für ihren Einsatz wirklich sehr dankbar sein! Sie waren und sind keine Großverdiener, sie haben einfach alles dem Ziel, ihre Söhne glücklich zu machen, untergeordnet!“

 

„Wir können uns glücklich schätzen, Geraldo als Kapitän zu haben. Er füllt seine Rolle in der Mannschaft perfekt aus – sportlich, wie auch menschlich, kann man sich voll auf ihn verlassen. Geraldo ist kein Typ, der unbedingt im Mittelpunkt stehen will, doch hat er in der Vergangenheit durch seine soziale Kompetenz und Routine einen Riesenanteil an unseren Erfolgen.“ (Dominik Hackinger)

 

Vielleicht hat sich auch Gerald Säumel als junger Kicker zu sehr untergeordnet.  „Immer wieder habe ich gehört, dass ich der Bessere bin, dass ich großes Talent habe. Nur habe ich das selbst nicht geglaubt. Ich habe mich nie so gut gesehen, wie es die anderen taten. Fußball ist zu 95 Prozent eine Kopfsache. Wenn zwar die anderen an dich glauben, du das aber selbst nicht tust, wirst du nicht das höchste Level erreichen. Um das zu tun muss man sich auch durchbeißen, muss andere aus der Mannschaft drängen, muss extrem viel investieren. Das habe ich nicht getan, weil ich mich und mein Talent zu wenig wertgeschätzt habe. Der Jürgen aber hat das alles getan, er hat wirklich alles dafür gegeben. Und davor ziehe ich meinen Hut!“

Stichwort „Hut ziehen“: Würde Fußball mit Hut gespielt werden, würde unser Team wohl durch permanente Regelverstöße auffallen. Denn egal, welchen GAK-Kicker man fragt: „El Capitano“ Gerald Säumel ist das Herz dieses Teams – als Spieler, aber vor allem auch als Mensch.  So viele Hüte, die verbal vor ihm gezogen werden, gibt es kaum. Das wundert auch nicht, hört man sich an, was er im Interview so sagt: „Weißt du, ich bin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Ich wurde vielleicht sogar zu brav erzogen für das Profigeschäft, da muss man eben oft beißen und kratzen. Das ist aber nicht meins. Oft haben Trainer von mir gefordert, lauter zu sein. Auch da tue ich mir schwer. Ich bin der Meinung, dass man mit Verständnis, mit Respekt, mit Anerkennung vielleicht nicht immer im Profifußball, aber grundsätzlich im Leben, viel mehr erreichen kann. Und das versuche ich eben Tag für Tag zu zeigen, vorzuleben.“ Darum würde Säumel auch nie einen Schiedsrichter anschreien. „Aber auch deswegen, weil es ja nichts bringt. Weil es sinnlos ist – und sinnlose Kritik, das habe ich in meinen ganzen Jahren im Fußballgeschäft gemerkt, die fruchtet überhaupt nicht.“

 

„Der Geri ist echt nicht nur auf dem Feld, sondern auch abseits ein unglaubliches Vorbild, von dem man sich wirklich einiges abschauen kann. Am besten gefällt mir an ihm aber die Mischung aus seriösem Kapitän des GAK, der immer weiß, was er wann sagen muss, und dem Geri, mit dem man extrem viel Blödsinn reden kann, bei dem man einfach immer was zu lachen hat. Er ist ein Mensch, der immer ein Ohr für einen hat und dir wichtige Tipps gibt, wenn du nicht weiter weißt. Und dabei ist es völlig egal, um was es geht. Und über ihn als Fußballer braucht man nicht diskutieren: seine Ruhe, die Übersicht, sofort zu erkennen, wo er gebraucht wird, aber auch seine Leidenschaft – das ist einfach große Qualität und für mich beeindruckend!“ (Dominik Messner)

 

Kein anderer GAK-Spieler strahlt so viel Ruhe auf dem Platz aus. „Es ist schön, wenn meine Mitspieler das anerkennen. Ich weiß mittlerweile auch aus dem Berufsleben, wie wichtig Ruhe in hektischen Phasen ist, wie wichtig ein Mensch, der Ruhe ausstrahlt da ist.“ Der studierte Jurist Mag. Gerald Säumel (Titel seiner Diplomarbeit: „Die neuen Transferregelungen des ÖFB im Lichte der Rechtsprechung von EuGH und OGH“) arbeitet seit einigen Monaten in der Personalabteilung des Grazer Motorenbauers AVL List. „Ich bin dort für arbeits- und sozialrechtliche Belange zuständig. Klar gibt es da immer wieder Situationen, wo ich mir denke: ,Das schaffe ich nicht, da kenne ich mich nicht aus!‘ – aber dann drehe ich mich um und schaue meine Chefin an. Die Ruhe, die sie ausstrahlt, hilft mir sofort. Und ich spüre auch immer, dass sie bereit ist, mir zu helfen. Das versuche ich auch auf dem Spielfeld zu signalisieren. Ich muss mich nicht in Szene setzen – ich bin einer derer, die helfen, dass andere das können. Und das tue ich sehr gerne!“       

 

„Der Gerry ist einer der liebsten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte! Er ist immer gut drauf und hat immer ein offenes Ohr für dich! Als Kapitän ist er für unser Team und den Zusammenhalt im Team extrem wichtig! Und mit seiner Erfahrung und Ruhe im Spiel hilft er uns enorm!“ (Lukas Graf)

 

Geschmäcker sind verschieden. Pralinen auch. Manchem schmeckt nicht, was er bekommt und er spuckt es aus. Mancher schluckt trotzdem runter und merkt erst dann, dass es da noch einen Nachgeschmack gibt. Wenn Gerald Säumel nun zurückblickt, weiß er: Nachgeschmack kann auch ein kulinarisches Erlebnis sein. Und übrigens: Es ist eine große Karriere geworden. Und sie dauert zum Glück noch immer an! 

 

Gerald Säumel über …

… den GAK:

„Dass ich ziemlich genau heute vor vier Jahren, im Jänner 2014, von Kalsdorf aus der Regionalliga in die 1. Klasse Mitte zum GAK gewechselt bin, war die beste Entscheidung in all meinen Fußballerjahren. Ich habe hier so viele schöne Dinge erlebt, das war definitiv der beste Transfer meines Lebens! Ich bin dankbar in diesem Umfeld, bei diesem Verein, sein zu dürfen.“

…Abschiede:

„Das ist etwas, was ich am Fußball gar nicht mag. Vor allem dann, wenn du mit jemandem erfolgreich warst. Du hast diesen Menschen 5, 6 Tage in der Woche gesehen, mit ihm Siege gefeiert und Niederlagen ,beweint‘, und dann ist er plötzlich weg. Das schmerzt manchmal schon sehr!“

…sein Karriereende:

„Das ist ein Thema, bei dem ich sehr emotional werde. Ich schaue mir jetzt mal meine Rückrunde an, dann wird es eine Entscheidung geben.“

…Johannes Brandtner:

„Der ,Brandy‘ war nicht nur einer meiner nettesten Mitspieler, mir gefällt auch so gut, wie dankbar er Gernot Plassnegger und dem GAK war und ist, dass er drei Jahre hier sein durfte. Er sagt, das waren die schönsten drei Jahre seines fußballerischen Lebens. Bei mir sind es jetzt schon vier …!“

… Teresa:

„Meine Lebensgefährtin muss mich mit dem Fußball teilen. Aber sie kommt wunderbar klar damit, sie ist als Tänzerin selbst Sportlerin, und hat daher vollstes Verständnis. Sie ist eine große Stütze für mich!“

…Lehrjahre:

„Der Sport ist ein toller Lehrer. Man kann aus Niederlagen und aus Siegen viel lernen. Das Gelernte will ich in Zukunft teilen. Ich kann mir vorstellen, später einmal im Mentalbereich mit jungen Sportlern zu arbeiten.“

…Gegenspieler:

„Mein schlimmster Gegenspieler? Klingt komisch, aber das war ein Mitspieler bei Sturm. Der leider schon verstorbene Adam Ledwon war so unglaublich hart im Training, so etwas habe ich bei Gegnern nie erlebt!“

…sich schließende Kreise:

„Gernot Plassnegger war Gegenspieler von mir, als ich bei Sturm war und danach als Admiraner Mario Haas war erst mein Mitspieler, dann Trainer dreier GAK-Gegner. Ich habe mit Herbert Rauter sowohl bei Sturm als auch beim GAK und bei DSV Leoben gespielt, jetzt spiele ich gegen ihn. Richie Wemmer kenne ich aus dem Sturm-Nachwuchs, später habe ich mit DSV gegen ihn gespielt, als er bei Gratkorn war. Stefan Kammerhofer war schon in der Regionalliga wie ich beim GAK, da haben wir z. B. gegen den Dominik Hackinger gespielt, als der noch bei Gratkorn war. Später waren der „Hacki“ und ich Teamkollegen in Kalsdorf, wie auch der Marco Heil. Und mit Marco Perchtold habe ich schon in Gratkorn gespielt. Und das sind nur einige Kreise, die sich seit meinem 2. Transfer zum GAK 1902 geschlossen haben.“

 

(Gerald Säumel bei transfermarkt.at)

 

 

DER GRAZER STADTKLUB - gegründet 18.08.1902